Pack‘ die Badehose ein…
Eine sicherlich nicht vollständige Geschichte der Rehburg-Loccumer Freibäder
So hatten sich Rehburg-Loccums Wasserratten den Sommer 1984 nicht vorgestellt. Statt die Badehose für sonnige Stunden in den Freibädern Loccums und Münchehagens einzupacken, blieb ihnen nur das Hallenbad in Rehburg. Die Becken der beiden Badeanstalten unter freiem Himmel waren derart marode, dass die Bäder schließen mussten. Ein Trauerspiel für beide Gemeinden, die sich gerne mit ihren viel genutzten Bädern geschmückt hatten.
Der Stolz Münchehagens: Bis 1984 bestand das Freibad an der Alten Zollstraße. Mönkehäger Dörpverein
Die Anlage in Münchehagen war 1936 entstanden, jenseits der Alten Zollstraße. Loccum hatte damals bereits einen Badeteich. Das wollten die Münchehäger:innen ebenfalls bekommen. Kürzere Wege waren sicherlich eine Überlegung. Ein wenig Konkurrenzdenken schwang aber auch mit. So entstand ein rund 70 mal 30 Meter großes Becken aus Beton – luxuriöser als Loccum, denn dort badeten die Loccumer:innen zu jener Zeit noch in einem Naturteich mit Rasenböschungen.
Himbeerwasser aus der Bretterbude
Frisches Wasser lief in Münchehagen ständig aus einem Steinbruch zu. Dessen Qualität war gut, das Wasser allerdings auch an heißen Sommertagen prickelnd kalt. Dazu gab es am Becken ein Sprungbrett und eine Baracke, die als Umkleide diente. Die ältere Frau, die Aufsicht führte, verkaufte aus einer winzigen Bude heraus Himbeerwasser und Süßigkeiten an die Kinder.
Eintritt, Himbeerwasser und Süßigkeiten gab es aus der Bretterbude heraus – wie auf diesem Foto von 1937. Mönkehäger Dörpverein
Loccum hatte, wie gesagt, seinerzeit ein Naturbad, das unter den Badenden aber längst die Bezeichnung Schlammbad führte. 1928 hatte das Kloster der Gemeinde den sogenannten Barnewoldts-Teich zur Verfügung gestellt. Er befand sich auf einem Gelände, das heute an der Rehburger Straße, direkt gegenüber dem WEZ-Markt zu finden ist. In der südwestlichen Ecke des Teichs entstand ein hölzernes Badehaus mit Umkleiden. Geschwommen wurde in dem etwa 75 Meter langen und 20 Meter breiten schilfumstandenen Teich, der auch als Viehtränke und zur Karpfenzucht diente.
Die Investition in das Badehaus fiel den Ratsherren leicht, denn bereits 1915 hatte der Loccumer Heinrich Rode der Gemeinde 1000 Goldmark in seinem Testament vermacht. Rode hatte im Ersten Weltkrieg seine Einberufung erhalten. Bevor er auszog, wollte er seine Angelegenheiten geregelt haben. So verfügte er, dass auch die Gemeinde Geld bekommen sollte, sofern er nicht lebend zurückkomme. Geld, das ausschließlich zum Bau einer Badeanstalt verwendet werden dürfe. Rode starb im Krieg, das Badehaus wurde gebaut.
Loccums ganzer Stolz war das Badehaus am Naturteich – hier auf zwei Fotos zu sehen, die in den 1920er Jahren entstanden. Konrad Droste
Da die 1000 Goldmark dadurch nicht aufgebraucht waren, bekam Loccum zwei Jahre darauf in der Marienstraße eine Warmbadeanstalt– wer eine Gebühr zahlte, durfte sich wohlig in eine Wanne mit heißem Wasser legen. Bäder können dort schon lange nicht mehr gebucht werden. Der gemauerte Schriftzug prangt aber immer noch am Giebel des Hauses.
Doch zurück zum Freibad – in das immer weniger Schwimmer:innen sprangen und stattdessen lieber die Teiche auf Klostergelände nutzten. Weniger Schlamm, mehr Spaß. Allerdings einer, der die Klosterherren ärgerte und auf den sie mit Strafandrohungen reagierten. Als das nichts half, schloss das Kloster einen Pachtvertrag mit der Gemeinde ab: Zu Bade- und Feuerlöschzwecken dürfe sie das Grundstück des Freibades für 99 Jahre unentgeltlich nutzen. 1938 war das. Doch die großen Pläne der Gemeinde mussten bald hintenangestellt werden, da der Zweite Weltkrieg ausbrach.
Gern genutzt, als es endlich kein Schlammbad mehr war: Loccums Freibad, hier im Jahr 1968. Hans Rösner
Erst 1952 konnte der Plan verwirklicht werden. Nun nicht mehr von der Gemeinde, sondern vom TSV Loccum, der das Bad in Eigenregie ausbaute und den Betrieb übernahm. Der Eintritt für Erwachsene kostete 25 Pfennig, Jugendliche zahlten 15 Pfennig, geöffnet war täglich von 7 bis 21 Uhr und der Schlamm war einem Betonbecken gewichen. Mit einem Sprungturm lief nun Loccum Münchehagen den Rang ab.
Bis 1965 schaffte der TSV es, das Bad zu betreiben. Erst dann übergab er – aus rechtlichen und finanziellen Gründen – an die Gemeinde Loccum. Schuldenfrei und mit gemauerten Unterkünften.
So wurde geschwommen und geplanscht, in Loccum wie auch in Münchehagen. Manchen Sonnenbrand vermutlich inbegriffen. Allerdings nur bis zu jenem Schicksalsjahr 1984.
Eine Luftaufnahme von Münchehagens Freibad um 1968. Mönkehäger Dörpverein
Noch bevor in jenem Jahr in Münchehagen die winzige Bretterbude für den Ticketverkauf öffnen konnte, kam das Aus. Loccums Freibad startete zunächst noch hoffnungsvoll in die Saison – um dann doch bald darauf zu schließen. Der Wasserverlust durch die rissigen Betonwände beider Freibäder war derart immens, dass der Rat Rehburg-Loccums keine Alternative zu den Schließungen sah.
Wer schwimmen wollte, hatte nun nur noch die Möglichkeit, Rehburgs Hallenbad anzusteuern. Das war 1975 eingeweiht worden und öffnete ganzjährig. Für ein wenig Freibad-Feeling sorgten die Liegewiese vor der Glaswand und Schiebetüren, die sich weit öffnen ließen, um den Sommer ins Bad zu lassen.
Erhitzte Diskussionen über neuen Bad-Standort
Im Rat der Stadt begannen unterdessen erhitzte Diskussionen. Was sollte getan werden? Beide Bäder sanieren? 1,3 Millionen DM für Loccum und 1,5 Millionen DM für Münchehagen waren weitaus mehr, als die Stadt sich leisten konnte. Also nur ein Freibad. Aber wohin? Sowohl Loccum als auch Münchehagen meldeten Anspruch an. Rehburgs Ratsmitglieder erinnerten unterdessen an das Gutachten, das seit 1977 in einer Schublade schlummerte und klipp und klar besagte, dass für ein neues Freibad in Rehburg-Loccum nur ein einziger Standort sinnvoll sei: Rehburg.
Der Rat erwog, lamentierte, schloss Rehburg aus und entschied sich zu einer geheimen Abstimmung, die mit 14:7 Stimmen glücklich für Münchehagen ausging. Loccum und Münchehagen ihre Bäder zu nehmen, Rehburg aber zum Hallen- auch noch ein Freibad zu geben, war zwei Dritteln der Ratsleute bereits zuvor zu sehr über die Hutschnur gegangen.
Den Neubau des Freizeitbades Münchehagen – nun etwas näher am Dorf als das alte Freibad - ließ sich die Stadt 4,6 Millionen DM kosten. Das war zwar deutlich mehr Geld als die veranschlagten Sanierungskosten beider Bäder. Dafür gab es aber erhebliche Attraktivitätssteigerungen. Mit Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, mit einer Wasserzone für Babys und Kleinkinder, Umkleiden und Duschen nach neuestem Standard – und der Wasserrutsche. Bürgermeister Hans Elbers weihte sie am 16. Mai 1987 ein – schick im Anzug, aber immerhin barfuß sauste er die 100 Meter hinunter.
Zur Eröffnung des Freizeitbades weiht Hans Elbers die Rutsche ein – im Anzug. Stadt Rehburg-Loccum
Ende gut, alles gut? Nicht ganz, auch wenn der Frieden lange währte. Der nächste Schicksalsschlag für Rehburg-Loccums Freibäder folgte inmitten einer schönen Juninacht 2004 als das Funktionsgebäude des Bades in Flammen aufging.
Um 3.38 Uhr ging der Alarm, 75 Feuerwehrleuten rückten an. Das Gebäude samt Duschen, Umkleiden, Kassenbereich und Restaurant stand in hellen Flammen. Schnell brachte die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Glück im Unglück war, dass das Feuer nicht auf das Technikzentrum mit dem eingelagerten Chlorgas übergriff.
Bald darauf stand fest, dass es sich um Brandstiftung gehandelt hatte. Nicht das erste Mal in Münchehagen. Was Jahre zuvor mit Feuer an Strohballen begonnen hatte und mit dem Brand einer großen Halle des Dinoparks weiterging, hatte kurz vor dem Feuer im Freizeitbad zwei Ponys in einem Schuppen das Leben gekostet. Der Täter wurde niemals gefasst.
Keine Sternstunde: 2004 brannte das Funktionsgebäude des Freizeitbades Münchehagen lichterloh. ade
Zum abgebrannten Freibad eilte Rehburg-Loccums Bürgermeister Dieter Hüsemann ebenso wie Münchehagens Ortsbürgermeister Günter Wilkening. Während Wilkening betroffen den Bemühungen der Feuerwehren zusah, tröstete Hüsemann das Schwimmbad-Personal: „Dann machen wir eben unser Hallenbad in Rehburg wieder auf.“
Gesagt, getan. Danach begannen erneute Diskussionen im Rat. Sollte das Bad wieder aufgebaut werden? Die Entscheidung dafür ließ nicht lange auf sich warten. Im Mai 2006 startete das Bad in seine nächste Saison.
Seitdem geht es mal mehr, mal weniger lebhaft zu in den Becken, auf der Rutsche und rundum auf den Rasenflächen – je nach Wetterlage.
Schluss mit Gänsehaut und blauen Lippen ist seit der Saison 2011 durch beheizte Becken. Die Investition in Wärme wollten Rat und Verwaltung sich leisten, da das Loccumer Klostergut eine Biogasanlage gebaut hatte. Deren Abwärme wird seitdem sinnvoll eingesetzt. In den Sommermonaten lockt sie mehr Gäste durch angenehmere Wassertemperaturen an. In der Wintersaison profitiert die Heizungsanlage der Grundschule Münchehagen.
Schluss mit Bibbern: 2011 sind die Becken des Freizeitbades beheizt worden. ade
Die nächste Investition steht bereits in den Startlöchern: Das Babybecken soll um einen Sprayground ergänzt werden.
Und die alten Freibäder Münchehagens und Loccums? Während die tiefe Kuhle in Münchehagen zugeschoben wurde und rein gar nichts mehr an die Badeanstalt erinnert, ist das Becken in Loccum immerhin noch als Teich erhalten. Um ihn herum sind mächtige Bäume in einem kleinen Park gewachsen.
Über Rehburg-Loccums Freibadspaß mit Hindernissen kann noch einige Monate sinniert werden. Ein Blick aus dem Fenster genügt, um die Zeichen auf Herbst zu stellen.
Doch die nächste Freibadsaison kommt gewiss.
November 2024
Beate Ney-Janßen