Kein Stillstand: Einer der Renner im Programm des Seniorenbeirats sind die Tanzcafés. ade

Stadtgeschichte(n)

aus Rehburg-Loccum

Nicht zu alt für Rock'n'Roll

Seniorenbeirat mischt Ältere seit 15 Jahren auf

Senior:in und stolz darauf. Das gilt in Rehburg-Loccum seit 15 Jahren – seit der Seniorenbeirat aus der Taufe gehoben wurde. Wer genauer auf das schaut, was das Gremium aus Älteren auf die Beine stellt, kommt zu einem Schluss: Älter zu sein bietet in Rehburg-Loccum manche Vorzüge.

Kein Stillstand: Einer der Renner im Programm des Seniorenbeirats sind die Tanzcafés. ade

Kein Stillstand: Einer der Renner im Programm des Seniorenbeirats sind die Tanzcafés. ade

Rock ’n‘ Roll ist schon seit etlichen Jahren Programm beim Seniorenbeirat. Immer dann, wenn er zum Tanzcafé einlädt. Dieses Tanzcafé ist genau das, wonach es klingt: Ein nachmittäglicher Schwof mit Kaffee, Kuchen und Musik zum Tanzen. Und einer der Erfolge des Seniorenbeirats.

Was wünschen sich Senior:innen? Das fragten die Frauen und Männer des Seniorenbeirats vor etlichen Jahren auf Rehburg-Loccums Wirtschaftsschau ab. Als sich herausstellte, dass Tanzen ganz oben auf der Wunschliste ihrer Klientel stand, fackelte die Vorsitzende Gabriele Stolper nicht lange und begann zu planen. Wenig später stand das Konzept: Musik aus der Konserve mit Live-Gesang, mit Rehburgs Raths-Keller ein Saal, der etwas hermacht, kein Eintritt und eine zeitliche Planung, die Hin- und Rückfahrt mit dem Bürgerbus zulässt.

Von Schneewalzer bis Moonwalk

„Und die Musik bitte so, dass nicht fünfmal nacheinander der Schneewalzer gespielt wird“, fügt Matthias Witte grinsend hinzu. Witte gehört zu den Jüngeren im Kreis dieser Älteren, kennt sich mit Tontechnik mehr als die anderen aus, und hatte einiges dafür, dass zu den Tanzcafés auch Rock ’n‘ Roll gehört. Mit gutem Recht, wie sich zeigte.

Seitdem schieben sich Paare beim Tanzcafé gemütlich übers Parkett – dass sich aber auch dann nicht leert, wenn die Rhythmen heißer, der Sound rockiger wird. Es wurden auch schon Tänzer:innen gesichtet, die einen ansehnlichen Moonwalk vorführen können.

Lediglich Corona ließ die Tanzcafés pausieren. Danach stieg das Team um Stolper mit ungebremstem Schwung wieder ein. Statt in Rehburgs Raths-Keller wird nun im Deutschen Haus in Münchehagen geschwoft.

Das ist aber beileibe nicht das Einzige, was Stolper, Witte und Co. anzetteln. Ihre „Klassik am Nachmittag“ hat sich zum ähnlichen Renner entwickelt. Michael Las Casas dos Santos hat diese Nachmittage mit klassischer Musik ersonnen. Las Casas, der Geige spielt, Klassik liebt und ebenfalls Mitglied im Seniorenbeirat ist. Die musikalischen Stunden in der Romantik Bad Rehburg füllt er mit Stücken vom Band und vielen Erzählungen zum Gehörten. Zu Melodien und Kompositionen, zu Stilen und Komponist:innen. Längst ist er auch in vielen Seniorenheimen mit seinem Programm ein gern gesehener Gast.

 

Kompetenzen nutzen: Michael Las Casas dos Santos bietet die „Klassik am Nachmittag“ wegen seiner Liebe zu der Musik an. ade

Kompetenzen nutzen: Michael Las Casas dos Santos bietet die „Klassik am Nachmittag“ wegen seiner Liebe zu der Musik an. ade

 

Eigene Kompetenzen nutzt auch Otto Lüer. Als eingeborener Rehburger, der gut und gerne Platt spricht, hat er plattdütsche Abende ins Leben gerufen – und es sind nicht nur Rehburg-Loccumer:innen, die sich einmal im Monat zum Kören, Snaken, Spräken und Prooten über Gott und die Welt in Rehburgs Heimatmuseum treffen.

Dem Ansatz des Teams, sich gegen die Ausgrenzung älterer Mitbürger:innen zur Wehr zu setzen, setzt Lüer noch einen drauf: Jedes Platt ist bei seinen Abenden willkommen. Ob es nun das reine Rehburger Plattdeutsch ist oder jenes aus Loccum, Münchehagen oder anderen Dörfern der Umgebung – jede und jeder darf an diesen Abenden so reden, wie ihr und ihm der Schnabel gewachsen ist.

Toleranz auch gegenüber Jüngeren

Dass es üblicherweise Ältere sind, die sich in der guten Stube des Heimatmuseums um die Tische versammeln, liegt in der Natur der Dinge. Aber auch alle jüngeren Datums, die sich in die Mundart einfühlen wollen, lässt Lüer nicht vor der Tür stehen. Denn: Toleranz ist angesagt im Seniorenbeirat. Selbst gegenüber allen, die die 60 noch nicht erreicht haben.

Fröhliche Runde: In Rehburgs Heimatmuseum wird einmal im Monat plattdeutsch gesprochen  mit viel Toleranz.

Fröhliche Runde: In Rehburgs Heimatmuseum wird einmal im Monat plattdeutsch gesprochen – mit viel Toleranz.

 

Siedelt dieser Beirat seine Aufgaben irgendwo zwischen Kultur, Amüsement und Heimatpflege an? Dieser Eindruck wird spätestens dann revidiert, wenn er sein jährliches Inforeihen-Programm auf den Tisch legt – das ebenfalls aus der Frage „Was interessiert Ältere?“ entstanden ist. Was ist neu im Straßenverkehr? 


Fröhliche Runde im Heimatmuseum

Welche Fallen stellen Nepper, Schlepper, Bauernfänger – und jene, die sich am Telefon als Enkel:innen in Not vorstellen? Wie sieht ein wertschätzender Umgang mit Dementen aus und was gilt es, über Hospizarbeit und Palliativversorgung zu wissen? Zum Herbst startet der Seniorenbeirat seit etlichen Jahren solche Vortragsreihen, anfangs gemeinsam mit dem Sozialverband und dem DRK, momentan ganz auf sich gestellt. 



Großes Programm bei kleinem Budget

Die Informations-Nachmittage werden – wie alle anderen Angebote auch – bei freiem Eintritt angeboten. „Auch damit bauen wir Hürden ab“, sagt Stolper. Niemand solle wegen seines kleinen Geldbeutels ausgegrenzt werden. Andererseits ist der Seniorenbeirat über jeden Euro glücklich, der im Spendenkörbchen landet. Von jenen, die es sich leisten können. Denn das Programm ist groß und das Budget klein.

Anfangs bot der Seniorenbeirat seine Informations-Reihen noch gemeinsam mit dem SoVD Rehburg-Loccum und dem DRK Loccum an. ade

Anfangs bot der Seniorenbeirat seine Informations-Reihen noch gemeinsam mit dem SoVD Rehburg-Loccum und dem DRK Loccum an. ade

 

Doch wie kam es eigentlich zur Gründung dieses Beirates? Im Bürgerbeteiligungsprozess „Rehburg-Loccum 2030“, zu dem die Stadt 2008 eingeladen hatte, war die Gründung eines Seniorenbeirats einer von vielen Vorschlägen, die erwogen und für gut befunden worden waren. Es ging um die Frage, wie Rehburg-Loccumer:innen sich ihr Leben in ihrer Stadt für die Zukunft wünschen. Zukunft, die nicht nur für alle gedacht wurde, die zu jenem Zeitpunkt noch auf die Volljährigkeit lauerten, sondern auch für angehende Senior:innen. Weshalb also nicht denjenigen eine Stimme geben, die aus eigener Erfahrung wissen, wo sich Verbesserungspotential für die ältere Generation verbirgt? Und die im Übrigen schon damals eine Generation waren, die anteilig immer größer wurde.

60 Jahre als magische Grenze für Senior:innen

Bereits im Jahr darauf wurden Nägel mit Köpfen gemacht: Der Stadtrat beschloss eine Satzung für solch einen Seniorenbeirat. Dann folgte die bange Frage, welche Rehburg-Loccumer:innen ab der magischen Grenze von 60 Jahren sich interessieren würden. Immerhin: 40 Einwohner:innen folgten der Einladung des Stadtrats, um sich anzuhören, was ein Seniorenbeirat tun könnte – und 13 von ihnen waren bereit zur Mitarbeit.

Mit nicht viel mehr Input als der Aussicht auf einen Sitz als beratendes Mitglied im Sozialausschuss der Stadt legte der Seniorenbeirat los. Es galt, vollkommenes Neuland zu erkunden und herauszufinden, was diejenigen, die das Gremium vertreten sollte, sich wünschten oder von ihnen erwarteten. Und was ein Seniorenbeirat dazu beitragen kann.

40 kamen, 13 wollten mitarbeiten: Ein Blick in die Runde des ersten Infoabends der Stadt auf dem Weg zur Gründung des Seniorenbeirats. ade

40 kamen, 13 wollten mitarbeiten: Ein Blick in die Runde des ersten Infoabends der Stadt auf dem Weg zur Gründung des Seniorenbeirats. ade

 

Wenn der Weg anfangs auch etwas mühsam war, so nahm die Arbeit doch bald Fahrt auf, und wenn es auch Irrwege gab, kristallisierte sich doch bald eine Linie heraus.

Beratung zu Fragen des Älterwerdens gehörte dazu – und der Seniorenbeirat bot öffentlich und immer wieder an, sein ständig wachsendes Wissen gerne zu teilen. Mit Kontaktdaten und auch mit der Einladung zu seinen öffentlichen Sitzungen. Selbst wenn sie bei diesen Sitzungen meistens unter sich blieben, wurden sie doch immer mehr gefragt, wenn Menschen nicht mehr weiterwussten.

Für noch mehr Präsenz hat der Seniorenbeirat just vor wenigen Tagen einen Schlüssel ausgehändigt bekommen. Dort, wo in Rehburgs Mühlentorstraße 22 bislang das Stadtteilbüro war, bieten die aktiven Senior:innen nun Sprechzeiten an. Zuerst am Dienstag, 17. September, von 10 bis 12 Uhr. Dann an jedem dritten Dienstag des Monats. Wer das Gespräch sucht, kann sich aber auch zu anderen Zeiten dorthin verabreden.

Neues Domizil: Im ehemaligen Stadtteilbüro in Rehburgs Mühlentorstraße bieten Matthias Witte, Gabriele Stolper und Otto Lüer nun Sprechzeiten an. ade

Neues Domizil: Im ehemaligen Stadtteilbüro in Rehburgs Mühlentorstraße bieten Matthias Witte, Gabriele Stolper und Otto Lüer nun Sprechzeiten an. ade

Unter sich – also unter Senior:innen – bietet der Beirat ebenfalls einmal im Monat den Seniorentreff in Loccums Jugendzentrum an. Am zweiten Dienstag des Monats können von 10 bis 12 Uhr alle zum Klönen kommen. Für das Team ist es nicht die einzige Gelegenheit, als Senior:in dort mitzumischen, wo die städtische Jugendarbeit angesiedelt ist. Ein Adventsmarkt von den Jugendlichen? Der Seniorenbeirat mischt mit. Ferienpass-Aktionen? Auch dann können die Jugendpfleger auf Unterstützung zählen.

Und als ob das alles noch nicht genug ist, schmiedet der Beirat bereits neue Pläne für 2025 - in deren Mittelpunkt Bad Rehburgs Dorfgemeinschaftshaus steht. Dessen Küche will Stolper nutzen, um gemeinsam mit Älteren zu kochen und anschließend genussvoll zu essen. Witte plant unterdessen mit Joachim Schumacher, der ebenfalls ein relativer Neuling im Beirat ist, Kinotage der besonderen Art. Im Saal auf großer Leinwand und mit Filmen, die deutlich jüngeren Datums sind als „Vom Winde verweht“.

Nicht meckern, sondern machen!

Neben allem, was schön und nützlich ist, hält der Seniorenbeirat auch in der Stadtpolitik seine Ohren offen- mit seinem beratenden Sitz im Sozialausschuss Ob nun mit Einwürfen zu Tagesordnungspunkten oder mit eigenen Ideen. Genau dort fügte Otto Lüer, Mitglied seit der ersten Stunde, im Jahresbericht 2018 treffend den Ansatz dieses aktiven Seniorenbeirates zusammen: „Wir meckern selten. Wir machen!“

Wer Kontakt zum Seniorenbeirat aufnehmen möchte, setzt sich mit Gabriele Stolper unter Telefon (05766) 9416476 oder per E-Mail unter gabistolper@gmx.de in Verbindung.

Oktober 2024

Beate Ney-Janßen