Dem Klima auf die Sprünge helfen
Seltene Torfmoose werden im Toten Moor gezüchtet
Moos im eigenen Garten wird gerne der Garaus gemacht. Nicht so in der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer ÖSSM). Deren Mitarbeitende Corinna Roers und Heiko Köster hegen und pflegen seltene Torfmoose zwecks Vermehrung. Der Erhalt der Arten ist dabei nur ein Aspekt, den sie verfolgen. Moore zu renaturieren, weil sie echte Klimahelden sind, steht ebenso auf ihrer Agenda.

Unwiderstehlich: Auch Corinna Roers streicht gerne sacht über den weichen Teppich, den die Torfmoose bilden. ade
„Wenn wir Besuchern unser Projekt vorstellen, wollen alle immer die Hand auflegen“, sagt Roers. Zu verlockend ist die weiche, sich hier und da sanft wölbende Oberfläche des Moosteppichs, der auf zwei Vorführtischen in der Station in Winzlar wächst.
Mit geübtem Griff zieht die Landschaftsökologin jedes Mal ein Büschel der Moose heraus. Die langen Pflanzenstränge in ihrer Hand machen anschaulich, wie aus Torfmoosen Moore wachsen. Der obere Teil leuchtet grün oder rötlich. Je tiefer der Strang in dem Teppich verborgen war, desto dunkler wird er. Ganz unten, erklärt Roers, wird das Moos zu Torf.
Moore speichern mehr Kohlenstoff als Wälder
Lediglich drei Prozent der Landfläche auf der Erde sind von Mooren bedeckt. Dennoch sind sie ein größerer Kohlenstoffspeicher als alle Wälder zusammen. Zum Vergleich: Diese Wälder breiten sich auf 26 Prozent der Landfläche aus.
Wald wird als Klimaschützer seit Jahrzehnten propagiert. Während an dessen Schutz schon lange gearbeitet wird, rückt die Bedeutung der Moore aber erst langsam ins Bewusstsein – und das oft spät oder zu spät.
Über Jahrtausende sind Moore trockengelegt worden, um Torf als Brennstoff und zu anderen Zwecken abzubauen. Mit der Industrialisierung nahm dieser Abbau ein Ausmaß an, von dem mittlerweile bekannt ist, dass er das Klima nachhaltig schädigt: Statt auf weiten Flächen nachhaltig Kohlenstoff zu binden, wird das weitere Speichern nicht nur unterbunden, sondern der gebundene Kohlenstoff auch noch freigesetzt. Ein Prozess, zu dessen Umkehrbarkeit Roers und Köster mit ihrem Forschungsprojekt einen Beitrag leisten wollen.
Moorretter werden
Wer selbst einen kleinen Beitrag zur Renaturierung der Hochmoore leisten möchte, kann das seit rund einem Jahr sogar mit persönlicher Gewinnchance tun. Die noch junge Klimalotterie ClimaClic hat das Projekt der ÖSSM als eines, das sie für förderungswürdig hält, in ihr Programm aufgenommen.
Das Besondere an dieser Lotterie: Jeder Teilnehmende kann unter allen Projekten eines auswählen, dass er mit seinem Los unterstützen möchte.
Speziell dieses Moor-Projekt hat sich aber auch das Parkhotel in Bad Rehburg für eine Kooperation ausgewählt.
Je Gast, der dort auf die Zwischenreinigung seines Zimmers verzichtet, steckt das Hotel drei Euro ins Sparschwein.

Foto: privat
„Sphagnum Papillosum““, stellt Köster den kleinen Strang vor, den er eben geerntet hat. „Oder auf Deutsch: das warzige Torfmoos.“ Die Pflanze auf seiner Handfläche ist eine der bedrohten Arten. Eine von mehreren, die unter dem Begriff Bult-Torfmoose zusammengefasst werden.

Das Sphagnum Papillosum ist eines der Torfmoose, an deren Wiederansiedlung die Forscher der ÖSSM arbeiten. ade
Sie stehen bei der Wiedervernässung der Moorflächen in Konkurrenz zu den sogenannten Schlenken-Torfmoosen– und ziehen üblicherweise den Kürzeren. Sehr zum Leidwesen von Köster und Roers, denn dort, wo Schlenken-Moose in der Übermacht sind, setzt auf den nassen Flächen relativ ungezügelt Verbuschung ein. Für die Renaturierung der Hochmoore werden sie damit zum Killer.
An diesem Punkt setzt das Projekt der beiden Naturschützer an: Wie können sie den Bult-Torfmoosen zu neuem Lebensraum verhelfen?
Toilettenspülungen regeln Wasserhaushalt
Gelegentlich legt Köster eine Hand auf den weichen Moosteppich der Tische, die im Torfwerk Schneeren unter freiem Himmel stehen. Ist das Moos feucht genug? Die Wasserfrage treibt ihn und Roers um, seit sie mit ihrem Projekt begonnen haben.
Dabei haben sie auf den Tischen, auf denen sie das Torfmoos ziehen, das Wasserproblem gut gelöst: Die richtige Dosierung gewährleisten umgebaute Toilettenspülungen, die an den Tischrändern befestigt sind. Aus Behältern fließt Regenwasser dorthin – denn nur damit fühlen die Moose sich wohl. Das wiederum wird von den großen Dachflächen des Torfwerks gesammelt.
Diese Dachflächen sind einer der Gründe, weshalb sie ihr Projekt im Torfwerk angelegt haben. Ein anderer ist die Nähe zu ihrem Versuchsfeld im Toten Moor.
Ihre erste Herausforderung zu Beginn des Projekts war es, Bult-Moose für die Zucht zu finden. In einem alten bäuerlichen Handtorfstich im Otternhagener Moor wurden sie fündig. Die Ernte von dort treibt mittlerweile Früchte.
Torfmoose lassen sich klonen

Erntezeit: Corinna Roers und Heiko Köster schneiden die Deckschicht ihrer im Torfwerk gezogenen Torfmoose ab. ade
Mit kleinem Gartengerät schneiden und säbeln die Wissenschaftler die Deckschicht der Moose ab. Einen Teil davon verteilen sie auf weiteren Tischen, den Rest auf dem Feld im Moor. „Torfmoose lassen sich klonen“, sagt Köster und rupft eine Pflanze in mehrere Stücke. „Jedes Stück für sich ist eine neue Pflanze“, erklärt er. Ernte und Vermehren seien im Prinzip denkbar einfach. Schwierig sei es eben nur, die Bult- vor den Schlenken-Torfmoosen zu schützen.
Auf den Tischen haben die Moose sich längst zu einem weichen Teppich zusammengefügt und auch in der Landschaft weicht die braune Erde mehr und mehr dem Grün und Rot der Pflanzen. Dorthin kommt das, was sie von den Tischen ernten.

Fußweg: Entlang der Schienen der Moorbahn geht es zum Torfmoos-Versuchsfeld. ade
An einem trüben Tag mit Nieselregen fährt Roers auf Feld- und Waldwegen zu dem Versuchsgelände. „Gutes Wetter“, sagt sie lachend. Moore wollen schließlich Feuchtigkeit. Sie stapft durch Heidekraut und entlang der Schienen der Moorbahn bis zu dem Feld, das sie mit Köster angelegt hat. Wälle begrenzen die 1.000 Quadratmeter große Fläche ringsum. Kreuz und quer auf der Zuchtanlage sind hölzerne Planken ausgelegt. Um die Ernte auszubringen, müssen sie auf dem schwankenden Boden halbwegs trockenen Fußes überall hinkommen können.

Schwankender Boden: Über Planken balanciert Corinna Roers auf dem Versuchsfeld. ade
In fünf Jahren, berichtet Roers, haben sie mit vielen Stoffen experimentiert, um gegen die Übermacht der Schlenken-Moose anzukommen. Jute, Frottee, Baumwolle, Kokos, Schafwolle, Weißtorf und Holzwolle zählt sie als Unterlagen auf. Am besten bewährt habe sich die Schafwolle. Darauf bauen die weiteren Forschungen nun auf.
Den Wasserhaushalt auf der Versuchsfläche regeln sie mit einem angrenzenden Reservoir, dessen Pumpen zum Einsatz kommen, wenn das Wetter nicht so ideal ist, wie an diesem Tag – mit moorfreundlichem Nieselregen.
Solche Sorgfalt wird den Pflanzen nicht mehr angediehen, die Roers und Köster mittlerweile auf weiteren Flächen im Toten Moor angesiedelt haben. Dort sind sie auf sich gestellt. Dass auch dieses Experiment gelingt und die Hochmoore wieder eigenständig wachsen, darauf hoffen sie beide.
April 2025
Beate Ney-Janßen

Das Torfmoos-Versuchsfeld liegt mitten im Naturschutzgebiet und kann nicht besichtigt werden. Einen guten Eindruck von den Torfmoosen vermitteln aber die Tische in der ÖSSM – neben vielen weiteren Informationen zum Naturschutz am Steinhuder Meer
Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer
Hagenburger Straße
31547 Rehburg-Loccum
OT Winzlar
tel.: (05037) 967-0
www.oessm.org
Öffnungszeiten:
Mitte April – Mitte Oktober (Sommer):
Di. – Fr.: 13 – 16 Uhr
Samstag, Sonntag + Feiertage: 11 - 17 Uhr
Mitte Oktober - Mitte April (Winter):
Di. – Fr. 13 – 16 Uhr
und nach Vereinbarung